Dienstag, 29. Mai 2007

Asien-Gipfel: Das 'Staatsgefängnis Hamburg' hatte Ausgang

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Ich fühlte mich bedroht.
Nein, nicht von den Demonstranten.
Es war die überall gegenwärtige Polizei mit deren Technischen Gerätschaften,
die mir ein bedrohliches Gefühl vermittelte.

Der Demonstrationszug wirkte auf mich wie der Marsch von Sträflingen
zu ihrem Arbeitslager (siehe Titel).
Warum hatte man den Demonstranten denn nicht die früher bei solchen Märschen üblichen Ketten mit schweren Eisenkugeln an die Fußgelenke geschmiedet?
Das wäre doch noch sicherer gewesen!

Meine Füße waren müde und ich wollte am Rödingsmarkt in die U-Bahn einsteigen. Aber die Gitter-Tore waren heruntergelassen und abgeschlossen.
Also marschierte ich weiter, vorbei an einem niedlichen, kleinen Räumpanzer.
Die daneben stehenden massigen Wasserwerfer wirkten da schon etwas bedrohlicher . . .

Der "Testmarsch zum G8-Gipfel" verlief relativ ruhig.
Unheimlich ruhig.
Später - im Schanzenviertel - entlud sich dann die aufgestaute Wut.
Aber das hörten die Teilnehmer des ASEM-Gipfels ja nicht mehr . . .

Mein nächster Weg führte mich zum Hamburger Rathaus.
Würde ich einen Blick auf das schöne Gebäude erhaschen können?
Ich ging auf der Willi-Brandt-Straße gen Osten.
Die erste Seitenstraße, auf die ich traf, war von Polizeifahrzeugen regelrecht zugekeilt; ebenso die nächste Seitenstraße.
Ich ging an der Kriegs-Ruine der Nikolai-Kirche vorbei und bog in die Straße "Trostbrücke" ein.
Tatsächlich, der Weg war frei.
Die üblichen Touristen, die die Heiligenfiguren auf der Brücke fotografierten und auch die Tafeln an dem historischen Gebäude der Patiotischen Gesellschaft studierten, waren da.
Hier war die Welt noch in Ordnung.
Aber an der nächsten Straßenecke war schon wieder Schluß.
Da war einfach kein Durchkommen zum Rathaus, die Polizeistreitmacht war in der Übermacht.

Nach etlichen Umwegen fand ich dann doch ein ganz einfaches Schlupfloch.
Doch doch, unsere "Volksvertreter" waren schon sehr geschickt, den anreisenden Diplomaten, die zum Asien-Gipfel ins Rathaus kutschiert wurden, eine heile Welt mit den üblichen Zuschauern zu suggerieren:
Sie ließen den Fußgängerstrom über den Jungfernstieg ungehindert passieren und man konnte so um 15 Uhr auch noch auf dem Reesen-Damm direkt am Fleet längs spazieren. Der größte Teil des Rathausplatzes war allerdings abgesperrt und der - unerreichbare - U-Bahn-Eingang war natürlich auch abgeschlossen.
Aber auch hier wimmelte es im ganzen Bereich nur so von Polizisten und deren Fahrzeugen mit blinkenden Blaulichtern.

An der Ecke Jungfernstieg - Colonnaden schlängelte ich mich durch ein massives Aufgebot von Polizei mit Wasserwerfern (und wiederum einem kleinen niedlichen Räumpanzer) . . . und dann war plötzlich Ruhe.
Nun gut, da standen noch an jeder Kreuzung die üblichen Polizei-Kleinbusse, aber das wars dann auch.

Am Dammtorbahnhof stieg ich dann in die S-Bahn nach Altona ein, um von dort aus dann wieder nach Hause zu fahren. In Altona hatte ich ja auch meinen Tagesmarsch begonnen, weil meine Frau mich mit dem Auto nicht näher an die Demonstration heranbringen mochte. Sie traute sich einfach nicht, weil schon die Palmaille an der Ecke zur Max-Brauer-Allee mit einem Peterwagen blockiert wurde.

Aber bis Altona kam ich nicht.
Was mich bewogen hatte ausgerechnet am Sternschanzen-Bahnhof auszusteigen, weiß ich nicht. Vielleicht war es ein wenig die Vergangeheit, die mich reizte?
Hier in der Nähe (in der Schönstraße) hatte ich Ende der 50-iger Jahre meinen Beruf erlernt und durch das heutige "Schanzen-Viertel" war ich damals oft mit dem Fahrrad zur Berufsschule nach Altona gefahren.

Schon am Ausgang des Sternschanzen-Bahnhofes wurde ich von einem massiven Polizeiaufgebot empfangen. Aber das beängstigte mich noch nicht und ich spazierte auf der Schanzenstraße in Richtung Reeperbahn.
So kurz nach der Kreuzung Kampstraße quoll plötzlich ein "schwarzer Haufen" mit tief auf das Gesicht heruntergezogenen Kapuzen aus einem Torbogen, sie warfen allerlei Brennbares auf die Straße und zündeten den ganzen Haufen mit einer Fackel an.
Die Knilche verschwanden unerkannt so schnell wie sie kamen . . . und ich machte mich auf die Socken, um aus dem Getümmel herauszukommen, bevor die Wasserwerfer auftauchen würden.
An der Ecke zum Schulterblatt - es war am Pferdemarkt Nummer 15 - setzte ich mich draußen an einen der Gartentische des 'Café Oktober' (wirklich nette Bedienung dort - ich komme wieder), um mich ein wenig auzuruhen und bestellte eine Cola.
Aber die Ruhe war bald vorbei.
Im Straßenzug Schulterblatt entwickelte sich ein Gerangel zwischen den dort zusammenströmenden Demonstranten und den Polizeikräften.
Ein dumpfer Knall . . . und plötzlich rannte alles; Schlagstöcke sausten nieder.
Ich nahm meine Cola und verschwand drinnen im Lokal . . . und der Wirt überlegte, ob er seine draußen stehenden Stühle auch in das Lokal hinein retten sollte, bevor die Demonstranten diese als Wurfgeschosse gegen die Polizei zweckentfremden würden.

Nachdem sich die Lage wieder ein wenig entspannt hatte, marschierte ich zum U-Bahnhof Feldstraße, um nun doch endgültig nach Hause zu fahren. Ich hatte inzwischen auch ein wenig Bedenken bekommen, daß ich selbst noch in den Schlamassel geraten könnte . . .
Zum Steinewerfen bin ich nun doch schon ein wenig zu alt . . .

Jetzt sitze ich hier zu Hause im Trockenen und grübele über das Demonstrationsrecht nach.
Wie sinnvoll ist eine Demonstration "auf der grünen Wiese", fernab von den Leuten, denen diese Demonstration gilt?
Und ich lese im Netz in einem Artikel vom Hamburger Abendblatt so etwas wie
Gegen 17.30 Uhr drängten die Beamten die verbliebenen Demonstranten in Richtung Schanzenviertel ab. Hier eskalierte die Situation: Vermummte Protestler bauten Barrikaden vor der Roten Flora auf, warfen mit Steinen auf die anrückenden Polizisten.
Es war also von der Polizei beabsichtigt, daß die Demo im Schanzenviertel weiter gehen sollte?

Ich grüble weiter: Wozu dient das Demonstrationsrecht überhaupt?
Ist es als Sicherheitsventil gedacht, das nur den Druck ablassen soll, bevor die Seele des Volkes überkocht oder soll durch eine Demonstration auch ein Signal an unsere "Volksvertreter" gesandt werden dürfen, so in dem Sinne "Bis hierher und nicht weiter . . . unsere Geduld mit euch ist zu Ende"?

Wenn ich da so an die letzten Urteile (besonders der Hamburger Gerichtsbarkeit) in Sachen Meinungsfreiheit in Foren und Blogs (und an den 'Schäuble-Trojaner') denke, dann schwant mir Böses.

Mein Vorschlag:
Wie wäre es mit der nächsten Demo auf hoher See auf einem Flugzeugträger?
Das demonstrierende Volk auf dem einem Flugzeugträger im Pazifik
und der tagende G8-Gipfel auf einem anderen Flugzeugträger im Atlantik . . . ?
So recht schön weit voneinander entfernt, damit beide Seiten tun können, was sie möchten?

Netzgärtner Kurt

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